Ich schreibe immer noch viel zu wenig hier. Dabei gäbe es so viel zu erzählen, zu diskutieren und zu kommentieren. Aber immerhin gibt es Gäste, die nach einem passenden Ort für ihre Texte suchen. Mit großem Vergnügen biete ich heute Nathan die Gelegenheit, sich hier über Netflix, XConfessions und das Reden über Sex Gedanken zu machen.
Laut Informationen des Sexpodcast von Zeit Online ging 2013 jeder achte Seitenaufruf im deutschen Internet auf eine Seite mit pornografischem Inhalt – wir liegen damit ein gutes Stückchen über dem Durchschnitt. Bevor jemand fragt: Ich ziehe den Durchschnitt eher nach unten, vor allem weil ich auch anderweitig sehr viel im Internet unterwegs bin. Aber auch ohne mein tatkräftiges Engagement schauen wir insgesamt ganz schön viele Pornos. Aber warum reden wir nicht darüber? Wer gibt außer Djure und Jenny öffentlich zu, dass er_sie Pornos schaut (Ich! Ich!)? Und wer redet offen darüber, was ihm_ihr gefällt?
Alle reden über Serien. Warum nicht auch über guten Porn…
Anders ist es mit anderen Streamingdiensten mit einem breiteren Filmangebot. Nach Schätzungen von Goldmedia nutzen knapp 5 Millionen Menschen in Deutschland Netflix, Amazon Prime hatte 2016 17 Millionen Kund_innen, ein Großteil davon dürfte auch in Prime Video geschaut haben. Und wer hat ein Problem damit, zuzugeben, dass er_sie sich auf die neue Staffel Narcos oder The Grand Tour freut? Ich muss gestehen: Ich freue mich zumindest auf letzteres.
Es ist ganz normal, über die neuesten Serien und Filme bei Netflix oder Prime Video zu reden. Pornos hingegen werden nicht thematisiert, ausgeblendet und gefühlt fast schon tabuisiert.
… oder guten Sex?
Ähnlich verhält es sich mit Sex. Ich habe den Eindruck, dass Sex immer noch als etwas Schmutziges gesehen wird, obwohl häufig Anspielungen zu finden sind. Dabei ist das etwas zutiefst Menschliches, ich empfand es bisher als einen Akt starker Vertrautheit, als etwas sehr Schönes, sehr Intimes.
Wenn man überhaupt darüber spricht, dann höchstens mit dem_der Partner_in, dabei profitieren alle Beteiligten, wenn sie wissen, was ihren Partner_innen gefällt und was man besser bleiben lässt. Es wird quasi erwartet, dass ich nicht offen darüber rede, dass ich Sex habe, was ich an ihm gut finde und gelegentlich auch Pornofilme schaue. Das finde ich sehr schade und das sollten wir ändern. Sind Pornos etwas Schlimmes? Ist Sex etwas Schlechtes?
Ich zahle für guten Porn…
Ich nehme das so wahr, als ob ich mich dafür schämen sollte, wenn ich sage, dass ich ein Abo bei XConfessions abgeschlossen habe. XConfessions ist eine Plattform, auf der Nutzer_innen anonym Geständnisse hinterlassen können. Erika Lust, eine Regisseurin/Produzentin/Filmemacherin von feministischen, fairen Pornos, sucht jeden Monat zwei davon aus und dreht daraus jeweils einen neuen Kurzfilm. Ihre Filme vergleicht sie dabei mit Bioprodukten:
The shift towards consuming organic produce instead of fast food is reflective of a more ethical, intelligent society. We want to encourage this type of consumerism within adult entertainment, through ethical production and distribution. (Aus: This is how we make our films)
Ähnlich wie bei Netflix gibt es also jeden Monat neues Material, man könnte fast sagen, dass XConfessions eine Art Netflix für faire Pornos ist: Bei beiden gibt es eine gewisse Auswahl, beide bieten Streaming-Dienste und beide investieren in Eigenproduktionen. Und überhaupt: Schaut euch XConfessions mal an. Das sind schöne Pornos, kein frauenverachtender Scheiß. Eine gute Freundin sah vor einiger Zeit auf Netflix eine Dokumentation, in der unter anderem feministische Pornoregisseur_innen vorgestellt wurden, und zeigte mir wenig später XConfessions. Eine Mitgliedschaft gibt es ab 20 Dollar im Monat, das ist es mir wert. Wer sich direkt für ein Jahresabo entscheidet, fährt dann auf lange Sicht nochmal günstiger.
… und darüber will ich reden dürfen.
Wenn ich etwas unterstütze, das ich gut finde, möchte ich darüber reden. So wie ich sagen kann, dass ich total auf Biokohlrabi und Spezi stehe, will ich sagen können, dass ich Pornos, die unter fairen Bedingungen entstanden, gut finde, ohne dafür komisch angeschaut zu werden. Ich möchte sagen können, dass ich es sehr schön fand, wie zärtlich Jesse und Sadie am Schluss miteinander umgehen. Dass ich es toll fand, dass Vex und Mickey sich, während sie miteinander schlafen, immer wieder küssen.
https://vimeo.com/154621692
Ich bin weiß, männlich, heterosexuell und privilegiert. Ich möchte, dass alle Menschen ohne Angst darüber reden können, ohne dass die Gegenseite das gleich als Aufforderung zu Übergriffigkeiten und Gewalt versteht. Natürlich ist es jedem Menschen selbst überlassen, darüber zu reden und nichts liegt mir ferner, als jemanden dazu zu animieren, andere Menschen damit ungefragt zu belästigen. Ich würde mir nur den Freiraum wünschen, dass wir darüber so offen reden können wie über die aktuelle Staffel Better Call Saul.
Apropos: Netflix hat jetzt Star Wars und eventuell habe ich den letzten Film noch nicht gesehen. Genug der Beichte.